Nach zweijähriger, personalbedingter Pause fand am Wochenende vom 15. zum 16. September die diesjährige Lehrfahrt des Landesfischereiverbandes Sachsen-Anhalt mit Gästen aus dem LAV Sachsen-Anhalt e.V. und ehemaligen hochrangigen Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern statt.
Ziel unseres Ausfluges war die schöne Stadt Kassel sowie eine großräumige Forellenzuchtanlage in Fritzlar mit einem Abstecher von dort zum Edersee mit seiner Staumauer. Am Samstag ging es bei strahlendem Wetter mit einem fast nagelneuen Reisebus der Luxuskategorie los. Alle hatten gute Laune mitgebracht und freuten sich auf schöne gemeinsame Stunden.
Auch die Stadt Kassel begrüßte uns mit Sonnenschein und in guter Stimmung bezogen wir erst einmal unsere Hotelzimmer.
Der Aufbruch nach Fritzlar musste dann alsbald erfolgen, weil die Zeit für unsere Unternehmungen knapp bemessen war.
In Fritzlar angekommen wanderten wir ein Stück bis zur weiträumigen Anlage des Fischzuchtbetriebes von Hermann Rameil. Dieses Unternehmen wird bereits in vierter Generation geführt und zeigt, wie solide sich ein seit den 60er Jahren existierender und organisch gewachsener Fischereibetrieb entwickeln kann.
Der Eigentümer führte uns durch die Bereiche der Aufzucht, Produktion und Verarbeitung und konnte über alle Schritte der Produktion und Vermarktung erschöpfend Auskunft geben.
In modernen Fließkanälen werden Regenbogen-, Bachforellen und Saiblinge vom Setzling zum Speisefisch aufgezogen. In angrenzenden, großräumigen Naturteichen wachsen Karpfen, Schleie und andere Fischarten heran, die hauptsächlich als Besatz vor allem für Anglervereine dienen. Wasserlieferant ist die Edertalsperre, die pro Sekunde 1000 Liter kaltes und sauerstoffreiches Wasser liefert. Am Ende der Anlage erzeugt ein Wasserkraftwerk Elektroenergie, welches den gesamten Betrieb CO²-neutral mit Strom versorgt. Das Bruthaus im benachbarten Altendorf hat die EU-Zulassung hinsichtlich der Fischgesundheit und Hygiene. Dort werden auch alle entsprechenden Satzfischarten erbrütet.
Uns als Besucher beeindruckte neben der Größe des gesamten Betriebes vor allen Dingen die druckluftgesteuerte Fütterungsanlage, die entsprechend der zur Fütterungszeit herrschenden Wasser- und Umweltbedingungen elektronisch reguliert werden kann. Zusätzlich sorgen eine kontrollierte Sauerstoffsättigung und eine ausgewogene Besatzdichte dafür, dass sich die Fische in einem hervorragenden Zustand befinden und den Kunden direkt fangfrisch zur Verfügung gestellt werden können.
Eine zweite große Säule des Betriebs ist die eigene Verarbeitung auf sehr hohem technischem Niveau mit nachfolgender Direktvermarktung im eigenen Hofladen, die nach Aussage von Herrn Rameil äußerst effizient ist. Neben diversen Schlacht- und Filetiermaschinen erregte der „Grätenzieher“ große Aufmerksamkeit. Mit diesem lassen sich übriggebliebene stehende Gräten recht einfach und sicher aus Filets entfernen.
Im extra abgeschotteten Verarbeitungsteil wird der frisch gefangene Fisch geschlachtet, filetiert bzw. küchenfertig zubereitet oder geräuchert. Gleichzeitig wird ständig darauf geachtet, dass alle Geräte, Maschinen, Behältnisse und Böden peinlich sauber gehalten werden. Mit Hilfe eines Schaumreinigungsgerätes lässt sich das nach Herr Rameils Aussage schnell und effizient durchführen.
Dabei wird strengstens auf die Einhaltung der hohen Qualitäts- und Hygienestandards geachtet und jeder Schritt sorgfältig dokumentiert. Dadurch lässt sich über viele Jahre ein überdurchschnittlich gutes Niveau der Produkte halten. Sehr ausgeklügelt ist die Belieferung von Hotels, Gaststätten, Handelsunternehmen etc. sowohl mit den Süßwasserfischen aus der Fritzlarer Anlage als auch mit gleichzeitig über einen eigenständigen Fischgroßhandel vermarkteten Meeresfischprodukten. Alles in Allem waren wir sehr vom Gesamtkonzept und den durchdachten logistischen Abläufen des Fischereibetriebes überzeugt. Der hohe Mechanisierungsgrad zeigt sich darin, dass der gesamte Betrieb mit 5 Arbeitskräften auskommt.
Mit kleinen typischen Delikatessen aus Halle in Form von Siedesalz und Hallorenkugeln dankten wir Herrn Rameil für die hochinteressanten Einblicke in seinen Betrieb und verabschiedeten uns.
Die Fahrt zur Ederseetalsperre war relativ kurz, da wir auf Grund der mehr als zweistündigen Führung nicht mehr ausreichend Zeit hatten, um auf ihrem Damm entlang zu spazieren. Uns blieb ein kurzer Blick auf die nur zu einem Drittel gefüllte Staumauer und das insgesamt eher einer Mondlandschaft ähnelnde Areal des fast leeren Stausees.
Nach kurzem Stopp im Hotel fuhren wir mit Taxis zum Restaurant Schloßhof Kassel und speisten dort in hochklassigem Ambiente an einem kombinierten italienischen und Grillbüffet. Die Spezialitäten frisch vom extra für uns aufgebauten Grill waren einfach köstlich. So vergingen die restlichen Stunden des Abends in gemütlicher Runde.
Den Sonntagvormittag konnte jeder nach ausgiebigem Frühstück individuell verbringen. Ab 13.30 Uhr sollte dann die geführte Tour durch den Bergpark Kassel mitsamt seinen überregional bekannten Wasserkaskaden, die ebenfalls zum Weltkulturerbe gehören, stattfinden.
Nach einem kleinen Missverständnis mit der Stadtführerin konnte es pünktlich losgehen. Start war am imposanten Herkules-Denkmal, welches den höchsten Punkt des Parks darstellt. Wenn man bedenkt, dass der Oktogon, auf dem die überlebensgroße Statue steht, vom Anfang des 18. Jahrhunderts stammt, so muss man dem Baumeister erheblichen Respekt zollen. Immerhin ist das Gesamtkunstwerk mit Statue 71 m hoch. Die Hauptattraktion sind jedoch die barocken und moderneren Wasserspiele, die den Bergpark weit über die Ländergrenzen berühmt gemacht haben. Durch die genaue Kenntnis der Abläufe des nur am Sonntag und am Mittwoch zelebrierten Spektakels seitens der Führerin konnten wir von oben beginnend alle Effekte bewundern.
Der größte Clou ist allerdings, dass die gesamte raffinierte Wasserführung ohne eine einzige Pumpe auskommt. Davon abgesehen, dass es zur Zeit der Entstehung noch keinen Strom und keine Pumpen gab, waren damals kluge Köpfe am Werk, die schon etwas von kommunizierenden Röhren, Wasserlast und Eigendynamik verstanden. Die sogenannten „Wassermeister“ öffneten an bestimmten Punkten die Absperrschieber, um die dann bis dorthin abgelaufenen Wassermengen in die nächste Darbietung fließen zu lassen.
Jedenfalls beeindruckten die einzelnen Etappen mit immer neuen Attraktionen. Der reine Wasserdruck wurde auch genutzt, um große Posaunen zum Klingen zu bringen. Wir stiegen im sehr weitläufigen Park immer tiefer hinab und stellten dabei fest, dass es außer den Wasserspielen noch weitaus mehr zu besichtigen gibt. Den einen oder anderen wird das sicher noch einmal nach Kassel führen.
Zum Abschluss gab es im untersten Bereich eine riesige Fontäne, die durch einen Druck von 8 atü entsteht und das Wasser bis zu 50 m hoch schießen lassen soll. Wirklich ein Highlight.
Ziemlich erschöpft aber total beeindruckt begaben wir uns danach zum Bus und traten die Heimreise an.
Die Teilnehmer waren begeistert von der Lehrfahrt und freuen sich bereits auf die nächste.
Unser Dank gilt dem Landesverwaltungsamt Referat 409, welches uns die Kosten für den Reisebus für diese Lehrfahrt aus Mitteln der Fischereiabgabe zur Verfügung stellte.
Andreas Schlüter, Fischereiberater LFV Sachsen-Anhalt e.V.