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Variation im Lebenszyklus und Alter bei Eintritt der Geschlechtsreife des Flussbarsches


Das Verständnis der Variation im Lebensablauf  (z. B. Wachstum und Reifung) von natürlichen Fischpopulationen ist sehr wichtig, wenn die Eignung einer neuen Art für die Aquakultur beurteilt wird. Das gilt insbesondere für die Auswahl des bestmöglichen Ausgangsmaterials für ein Zuchtprogramm, aber z. B. auch für die Beeinflussung der Reifung unter Zucht-bedingungen. Der Flussbarsch (Perca fluviatilis) ist wegen seines wohlschmeckenden, mageren, weißen Fleisches als alternatives Produkt der europäischen Süßwasserfischzucht von besonderem Interesse. Das Hauptproblem bei der Barsch-zucht besteht im frühen Eintritt der Geschlechtsreife, wodurch ein großer Teil des Bestandes in Wachstum und Qualität zurückbleibt, bevor die Fische die Marktgröße erreicht haben.

Ziel dieser Untersuchung war die Analyse des Lebenszyklus beim Barsch unter besonderer Berücksichtigung des Alters bei Eintritt der Geschlechtsreife. Zur Aufdeckung der Variation innerhalb kurzer geografischer Entfernungen wurden Felduntersuchungen durchgeführt. Außerdem wurde eine große Literaturübersicht vorgenommen, um die Variation über größere geografische Bereiche (Eurasien) zu untersuchen und dadurch den Lebenszyklus möglicherweise beeinflussende Faktoren zu finden. In zwei getrennten Teiluntersuchungen wurde die Bedeutung des räuberischen Verhaltens bzw. der Gewässerversauerung auf den Eintritt der Geschlechtsreife geprüft.

Bei der Untersuchung von 75 Barschpopulationen aus einem großen Verbreitungsgebiet wurden theoretische und Optimierungsmodelle getestet. Für 5 Bestände in Nordschweden ergab sich kein Einfluss des räuberischen Verhaltens auf das Alter bei Eintritt der Geschlechtsreife (3,6-4,5 Jahre), das räuberische Verhalten stand jedoch in Verbindung mit der Minimalgröße bei Eintritt der Geschlechtsreife. Zwischen dem Alter weiblicher Barsche bei Eintritt der Geschlechtsreife und der Versauerung von 5 Seen in Südnorwegen bestand keine enge Beziehung. Das Alter bei Eintritt der Geschlechtsreife war jedoch bei weiblichen Barschen aus dem sauersten See geringer (ca. 2 Jahre) im Vergleich zu den Barschen aus den 4 anderen Seen (2,5-3,5 Jahre). In der großräumigen Untersuchung wurden Einflüsse des Breitengrades auf alle Lebens-merkmale (außer asymptotische Körperlänge) festgestellt. Im Allgemeinen nehmen Wachstum, Mortalitätsraten und Investition in die Fortpflanzung mit geografischer Breite ab, während Alter und Größe bei Eintritt der Geschlechtsreife sowie Lebensdauer zunehmen.

Das mittlere Alter bei Eintritt der Geschlechtsreife variierte stark zwischen den Populationen, von 1 Jahr im Trasimeno-See in Italien bis zu 6 Jahren im Nord-Yenisey in Sibirien.  Kleinwüchsige Populationen haben geringeres Alter und geringere Größe bei Eintritt der Geschlechtsreife und höhere Wachstumsraten im Vergleich zu räuberischen Populationen. Die Lebensgeschichte südlicher Bestände mit schnellem Wachstum, hoher Mortalität bei Jungfischen und Adulten selektiert auf frühe Geschlechtsreife und relativ große Investition in die Fortpflanzung. Das Gegenteil ist bei nördlichen Populationen der Fall. Das Roff´sche Modell für das Optimalalter bei Eintritt der Geschlechtsreife ermöglichte gute Vorhersagen für dieses Merkmal für Barschpopulationnen auf der Grundlage von Wachstums- und Verlustraten. Mortalität und Wachstums-koeefizient waren negativ mit dem Alter bei Eintritt der Geschlechtsreife korreliert. Die festgestellten Unterschiede im Lebenszyklus können zu einem erheblichen Teil auf Temperaturunterschiede zurückgeführt werden. Die Fortpflanzung beeinflusst Wachstum und Überlebensrate. Das Alter bei Eintritt der Geschlechtsreife wird durch den Kompromiss zwischen Wachstum und Fortpflanzung und den Kompromiss zwischen Überlebensrate und Fortpflanzung beeinflusst.

Der Lebenszyklus verschiedener Barschpopulationen in Eurasien weist große Unterschiede auf. Für Zuchtzwecke in der Aquakultur sind geeignete Bestände sorgfältig auszuwählen. Am geeignetsten hierfür scheint Material von spät reifenden, räuberischen Populationen zu sein. 


Erik Heibos
Department of Aquaculture
Swedish University of Agricultural Sciences
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